Über die Praxis hinaus

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Weg zur Arbeit wird zum Spießrutenlauf

Harmonie und Ausgleich können sich nur im Menschen ausbreiten, wenn das äußere Umfeld ein möglichst ausgeglichenes in Richtung Harmonie strebendes ist.
Darum bemühe ich mich auch im öffentlichen Leben und habe mal beim Müll angefangen, sozusagen: mehr Harmonie mit den Mülltonnen.

Marbacher Zeitung, Samstag, 5. Juni 2010

Erdmannhausen Der blinde Thomas Bauschert möchte, dass Mülltonnen an den Fahrbahnrand gestellt werden.

Von Melanie Braun

Thomas Bauschert weicht Mülltonnen aus
(Foto: Werner Kuhnle)

Wenn Thomas Bauschert zu Fuß unterwegs ist, wird nicht gebummelt. Flott schreitet er die Straße entlang, und lässt seinen Stock dabei stets vor seinen Füßen hin und her pendeln. Thomas Bauschert ist blind. Aber er hat viele kleine Helfer auf der Straße: Den Pfosten des Straßenschildes zum Beispiel oder den steinernen Blumenkübel am Rand der Fahrbahn. Bauschert nennt Wiedererkennungspunkte wie diese seine Freunde. Sie helfen ihm, sich draußen zurecht zu finden.

Außerdem verlässt Bauschert sich auf sein Gehör und sein Gespür. “Ich habe extra immer Laufschuhe an, damit ich die Beschaffenheit des Untergrundes spüren kann”, erzählt er. Auch an der Akustik orientiert er sich: “Das Klopfen von meinem Stock hört sich ganz anders an, wenn ein Auto am Fahrbahnrand steht, als wenn dort eine freie Fläche ist.” Allerdings sei viel Konzentration gefragt. Als Bauschert beispielsweise den Motor eines Lasters hört, der auf einer Baustelle an der anderen Straßenseite steht, hält er inne: “Ich weiß ja nicht, was jetzt passiert: Kommt der näher? Sieht der Fahrer mich?”

Ganz wichtig ist für Bauschert auch die Bordsteinkante. Mit seinem Stock tastet er sie immer wieder ab: “Das ist meine Leitlinie”, erklärt er. “Wennich mich an die Hauswände halte, sind die Hofeinfahrten immer ein Problem”, so der Blinde. Der Grund: Dort fehlen die Orientierungspunkte. “Und für mich ist es schon schlimm, wenn ich mich um eineinhalb Meter verlaufe.” Was aber schnell passieren kann. “Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, drehe ich mich aus Höflichkeit zu ihm hin”, erzählt der Erdmannhäuser. Der Gesprächspartner mag nach einem kurzen Plausch einfach weiterlaufen, bei Bauschert aber kann es sein, “dass ich völlig rausgekommen bin”, und er nicht mehr weiß, in welche Richtung er den Weg fortsetzen muss.

Ähnlich fatal können Mülltonnen mitten auf dem Gehweg für ihn sein. Nicht nur, weil er schnell vom Weg abkommen kann, wenn er diese umrundet. Oft müsse er gar auf die Fahrbahn ausweichen, erzählt Bauschert. Fast täglich ist er mit diesem Problem konfrontiert. Denn der 48-Jährige läuft seit fünf Jahren jeden Tag von seinem Wohnort Erdmannhausen nach Marbach zu seiner Arbeitsstelle - dreieinhalb Kilometer die einfache Strecke. Ein Teil davon führt durch die Felder, dort joggt der Blinde manchmal sogar. Aber innerorts ist der Weg zur Arbeit für ihn oftmals der reinste Spießrutenlauf. “Da stehen manchmal drei Mülltonnen über die gesamte Breite des Gehwegs”, berichtet Bauschert. Das seien unberechenbare Hindernisse für ihn - zumal insbesondere leere Tonnen leicht umkippen könnten und dann die Gefahr bestehe, dass er stürzt.
Das will Bauschert jetzt nicht mehr so hinnehmen: In einem Brief an die Verwaltungen von Erdmannhausen und Marbach hat er auf das Problem aufmerksam gemacht - wobei er nicht nur an Blinde und Sehbehinderte denkt, sondern auch an ältere Menschen, Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen, wie er betont. Der Erdmannhäuser wünscht sich, dass die Tonnen, statt auf dem Gehweg, am Fahrbahnrand abgestellt werden. Er verstehe nicht,warum Autofahrer so viel mehr Platz beanspruchen dürften als Fußgänger. “Oder sind Fußgänger Menschen zweiter Klasse?”, fragt Bauschert.

Ganz so einfach ist das nicht zu regeln, betont Andreas Seiberling, Leiter des Marbacher Ordnungsamtes. Denn auf der Straße seien die Mülltonnen auch ein Hindernis, “und nicht in jeder Straße ist es möglich, die Tonnen auf die Fahrbahn zu stellen.” Zumal auch die Abfallwirtschaftssatzung beachtet werden müsse, in der es unter anderem heißt: “Die zugelassenen Abfallbehälter müssen (…) bis spätestens 6 Uhr mit geschlossenem Deckel am Rand des Gehweges oder soweit ein solcher nicht vorhanden ist, am äußeren Straßenrand bereitgestellt sein. Fahrzeuge und Fußgänger dürfen nicht behindert oder gefährdet werden. Die Entleerung muss ohne Schwierigkeiten und ohne Zeitverlust möglich sein.” Es gebe also viele Aspekte zu berücksichtigen. Allerdings appelliert Seiberling an die Bürger, auch an Menschen mit Behinderungen zu denken.

Günter Sommer, Hauptamtsleiter in Erdmannhausen, sieht das ähnlich: “Wir werden an die Eigentümer appellieren, den Müll so abzustellen, dass keine Behinderung entsteht.” Alles andere sei von Gemeindeseite aus schwierig. Man stimme sich aber derzeit mit der Abfallverwertungsgesellschaft ab. Dort zeigt man ebenfalls Verständnis für das Problem. “Aber wir haben auch keine Lösung”, sagt Sprecherin Susan Djalali. Sie werde die Sache jedoch im nächsten Wertstoffmagazin thematisieren.

Thomas Bauschert muss sich also wohl weiterhin auf Gehör und Gespür verlassen. Nicht, dass er das nicht könnte: Zielstrebig biegt er beispielsweise in seine Straße ein. “Die Gasse fällt nach unten ab, das ist eine ganz besondere Akustik und ein ganz bestimmter Luftzug”, erklärt er. Zudem habe er das Pflaster seiner Straße gespürt - und natürlich seinen Freund, den Pfosten des Straßenschildes, erkannt.

Als die Tonne gefüllt mit Joghurtbechern kippte…

…und sich auf Gehweg und Straße ergoss und dann bei mir das Fass zum Überlaufen brachte.
Obiger Zeitungsartikel gibt in keinster Weise mein Anliegen wider. Er sollte wohl dazu dienen, mich ruhig zu stellen und er gibt eben wider, was die angesprochenen Stellen und Institutionen verstehen wollten.Mein Hauptanliegen war ein anderes als das, was dieser Zeitungsartikel präsentiert: der arme blinde Behinderte, der so unter diesen Mülltonnen leidet! Nun das ist vielleicht ein kleines Nebenprodukt, aber das was dahinter steckt ist das wahre wirkliche Problem.

Nach des Tages Mühen und einem kleinen Dämmerschoppen bei einer guten Freundin, trat ich den Heimweg an.
Schon in Marbach standen sie mir so unnatürlich bedrohlich, regungslos wie nächtliche Schatten, manche müffelnd, manche zum Überquellen angefüllt im Wege.Oftmals zu Mehreren versperrten sie dem Fußgänger den Weg, so dass dieser abgedrängt und ausgegrenzt in diskriminierender Pein sich nur noch auf die Fahrbahn retten kann, um seinen Weg fort zu setzen. So bahnte ich mir meinen Nachhauseweg im Slalom um das Produkt des Wohlstands und Fortschritts und vor allem der freien Marktwirtschaft und des unersättlichen Konsums. Als ich dann auf meinem geliebten freien Feld und dessen Sträßle war und wieder die Freiheit um mich fühlte, weder Rund-, Flach-, Rest- oder Biotonnen mir das nach Hause kommen erschwerten, überkam mich eine Flut von Gedanken - es war fast eine Sintflut:
So wird der Fußgänger, der sich doch am natürlichsten und umweltfreundlichstenfortbewegt, diskriminiert. Hier der schmale Gehweg, der zu einer Müllabfuhrrampe zweckentfremdet wird. Dort die breite Straße, welche für die Götter mit Verbrennungsmotor absolut frei gehalten werden muss. In meiner Kindheit reichte e i n Kuttereimer und dieser wurde an den Straßenrand gestellt. Wie dekadent sind wir geworden, dass der König Müll und die kleinen und großen Ungeheuer mit Verbrennungsmotor Vorrang vor dem menschlichen Fußgänger haben. Denn der vierbeinige Fußgänger hat ja auch schon mittlerweile Vorrang vor dem Zweibeiner.Ist das nicht Wahnsinn: Wir brauchen den Müll, um ihn zu verbrennen. Wieviel Müll wird täglich ausgetragen, landet in unseren Briefkästen. Von dort direkt in den Flachmüll und wieder auf den Gehweg.
Auch die Werbung braucht die Umverpackungen. So sind doch viele Dinge mehrfach verpackt. Einfach nur dazu, dass Hochglanzwerbung noch aufgedruckt werden kann.
Auf Gehwegen bewegen sich ja nicht nur Sehbeeinträchtigte, sondern auch ältere Menschen mit Rollator, Frauen mit Kinderwägen, Schulkinder… auch die müssen dann auf die Fahrbahn.
Solche Gedanken und noch ganz andere machten mich richtig wütend, ja dann war’s vorbei mit dem freien Denken. Ich kam in Erdmannhausen an. Die ersten zwei bis drei Tonnen schaffte ich, doch die Vierte stand so ogaddich ogschickt / ungeschickt deplatziert im Wege, dass wir beide trotz haltsuchender Umarmung zu Fall kamen, es war so zirka 23.35 Uhr am Ortseingang Blumenstraße und das Kullern, Scheppern, Hüpfen, Aufprallen von hunderten von Plastikbechern ist wahrlich ein ungewohntes aber sehr charakteristisches Geräusch, welches dann für mich die „Tonne” in meinem Innersten zum Überlaufen brachte. Auch meine emotionalen nicht Plastikbecherlein sondern schon ausgewachsene Steinkrüge kamen ins Rollen und ich schrieb an die Stadtverwaltungen Marbach, Erdmannhausen, Ludwigsburg und an die AVL und brachte mein Anliegen klar und unverhohlen zum Ausdruck. Eben in dieser Weise wie hier schon wiedergegeben und meine Forderung war mal für’s Erste, dass die Tonnen am Fahrbahnrand abgestellt werden und dann dachte ich, würde man sich schon besinnen, ob man nicht vielleicht den Müll reduzieren könnte. Auch wollte ich mich an die Kommunalpolitik wenden, doch man kam mir mit Straßenverkehrsordnung. Nun ich dachte ja auch nicht daran, dass man die Autobahnen mit unseren Mülltonnen zustellt, wobei das wäre doch mal eine Aktion, welche zum Nachdenken anregen würde.Ja, das Einzige, was denen, die uns verwalten und regieren einfiel, war ein Zeitungsartikel und der fiel eben so aus.
Was fällt mir da jetzt noch ein? Erstens: Im Wein liegt die Wahrheit. Zweitens: Ja, do sen mer d’hoim, ja da sind wir zu Hause, wo der Müll so ordentlich getrennt und verbrannt wird, wo die Ordnung des Mülls vor der Ordnung des Menschen kommt, denn die kommt durch den Müll in Unordnung, da der Fußgänger ja vom Bürgersteig runter muss auf die Fahrbahn. Da sind wir wieder bei der Straßenverkehrsordnung, welche damit der Müllordnung Vorrang gibt.